Entscheidungstheorie und Politik
Was sollte man über Entscheidungstheorie wissen, um Politik zu beurteilen?
Was ist Entscheidungstheorie?
Für mich ist Entscheidungstheorie ein Zweig der Mathematik. Entscheidungstheorie verwendet (unter anderem) die Mittel der Wahrscheinlichkeitsrechnung, um Menschen dabei zu helfen, „bessere“ Entscheidungen zu treffen. Wofür ist das nützlich?
Einerseits hat sicher jeder von uns folgende Erfahrung gemacht: Wir haben eine Entscheidung getroffen und diese Entscheidung später bereut. Wir treffen also nicht immer Entscheidungen, die uns glücklich machen. Entscheidungstheorie kann uns dabei helfen, mehr Entscheidungen zu treffen die uns glücklich machen und weniger, die wir später bereuen.
Andererseits hat die moderne Psychologie festgestellt, dass Menschen immer wieder „emotionale“ oder „unsachliche“ Entscheidungen treffen, und dass diese Entscheidungen, gerade wenn sie mehrere Personen (eine Familie, eine Abteilung, einen Staat) betreffen, relativ häufig unerwünschte Ergebnisse mit sich bringen.
Man kann Entscheidungstheorie dazu verwenden, Entscheidungen sachlicher zu gestalten, und dazu bietet sie eine gewaltige Werkzeugkiste. Das gibt es nicht geschenkt, das gibt es nicht umsonst. Das Ganze ist ziemlich aufwändig. Schon allein die Auswahl des richtigen Werkzeuges ist eine Wissenschaft für sich. Für „normale Menschen“ lohnt sich das frühestens bei Fragen wie „lass uns ein neues Auto kaufen“, eher bei „lass uns ein Haus kaufen“. Für die Politik (und vor allem für die Bewertung von Politik) kann uns die Entscheidungstheorie dagegen helfen.
Ein paar Gedanken zur Politik
Ich habe 30 Jahre meines Lebens damit verbracht, nach „Wahrheit“ zu suchen. Die aktuelle politische Debatte ist geprägt von einem Streben nach Wahrheit: „Es ist nicht wahr, dass Migranten krimineller sind als Einheimische“. „Der Klimawandel ist nicht von Menschen gemacht“, „Feinstaub gefährdet Leben“.
Diese Diskussion über die Wahrheit („Deutungshoheit“ trifft es besser) ist der Sache nicht zuträglich. Denn am Ende gibt es keine Punkte dafür, mehr Wahrheit als andere über den Klimawandel zu haben.
Am Ende gibt es Punkte dafür, die „richtigen“ Entscheidungen zu treffen.
Darum sollten wir uns jetzt überlegen, was eine „richtige“ Entscheidung ist.
Entscheidungen und Unsicherheit
Zunächst sollten wir uns in Erinnerung rufen, dass der Begriff einer Entscheidung nur sinnvoll ist im Angesicht von Unsicherheit. Wenn ich mit 100%iger Sicherheit weiß, dass es morgen ein Unwetter gibt, werde ich morgen keine Party im Freien ansetzen – das braucht keine Entscheidung und keine Entscheidungstheorie. Der Haken ist: Es geht um die Zukunft. Die Zukunft ist immer mehr oder weniger unsicher.
Gute und schlechte Entscheidungen…
Ein realer Wetterbericht meldet Unwetter mit, beispielsweise, 80% Wahrscheinlichkeit. Wenn ich auf Basis eines 80%-Wetterberichts die Party ins Haus verlege und am Ende ist strahlender Sonnenschein… habe ich dann eine gute oder eine schlechte Entscheidung getroffen?
Die Antwort aus Sicht der Entscheidungstheorie ist: eine gute Entscheidung, denn die Qualität einer Entscheidung kann man nicht am Ergebnis bewerten, denn das lag zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht vor. Die verfügbaren Informationen zum Zeitpunkt der Entscheidung lauteten: Regen mit 80% Wahrscheinlichkeit. Soweit keine weiteren Informationen vorliegen (z.B. „der Wetterbericht irrt sich in 90% der Fälle“) habe ich die richtige Entscheidung getroffen.
Der Aphorismus
– „Die Entscheidung war schlecht, das sieht man doch am Ergebnis“
– „Leider hatte ich das Ergebnis noch nicht, als ich die Entscheidung treffen musste.“
(zu alt für eine Quellenangabe)
trifft leider immer zu.
Wenn man beim Treffen der Entscheidung alle angemessen verfügbaren Informationen einbezogen hat, braucht man wenigstens nichts zu bereuen: man hat alles im entscheidenden (sic!) Augenblick mögliche getan, mehr kann niemand erwarten.
Selbstverständlich darf ich mich trotzdem über das Ergebnis ärgern, aber das steht auf einem anderen Blatt.
Was ist überhaupt eine Entscheidung?
Meine persönliche Lieblingsdefinition einer Entscheidung lautet:
Eine Entscheidung ist eine unumkehrbare Zusage von Ressourcen.
R. A. Howard, A. E. Abbas – „Foundations of Decision Analysis“
Es müssen also die folgenden Elemente zusammenkommen:
Un-umkehrbar
Natürlich kann man in den meisten Fällen „umkehren“. Doch wenn ich jetzt losfahre ans Mittelmeer und in ein paar Stunden ändere ich meine Meinung und fahre zurück, dann habe ich doch Ressourcen für die Entscheidung verbraucht: Fahrtkosten und Zeit für den Reiseabschnitt, den ich tatsächlich durchgeführt habe – und Fahrtkosten und Zeit, die ich für die Rückreise benötigt habe geben uns sozusagen die Kosten der neuen Entscheidung, mit der ich die ursprüngliche gekippt habe.
Ressourcen
… von der ganzen Definition wahrscheinlich das einfachste. Geld, Zeit, Aufmerksamkeit… alles was Dinge in Bewegung setzen oder aufhalten könnte.
Zusage
Natürlich ist die einfachste Form einer Entscheidung „ich gehe jetzt nach Hause“ (oder so ähnlich) – das enthält außer mir selbst gegenüber keine Zusage. Doch das interessante daran ist: Wenn ein Vorstand ein Projekt „freigibt“ rührt er danach für die Sache zunächst keinen Finger mehr. Trotzdem fließen unter Umständen Millionen. Es geht nicht (immer) um das, was man selbst tut. Es reicht (und es ist der typische Fall), den Weg frei zu machen.
Ausblick
Mir läge auf der Zunge, noch über den „Hocker der Entscheidungsqualität“ zu schreiben, doch das sprengt für jetzt / hier / heute den Rahmen.

Zusammenfassung
- Entscheidungen sind un-umkehrbare Zusagen von Ressourcen
- Entscheidungen gibt es nur im Angesicht von Unsicherheiten
- Die Qualität einer Entscheidung kann man nur aus der Information zum Zeitpunkt der Entscheidung beurteilen